Matagalpa – Ruhetag mit Kindheitserinnerungen

Puedes cortarme el pelo?, frage ich google-translator-sprach-bevollmächtigt den Mann, der im Friseurladen gerade den Besen schwingt.
Claro!, ist seine eindeutige Antwort – und schon sitze ich vorm Spiegel und kann gerade noch Frau google übersetzen lassen: Aber nur ein klein wenig (höchstens 2 cm) abschneiden und etwas in Form bringen. Er nickt verständnisvoll und zeigt mir auf seinem Smartphone Fotos von Modellen mit seiner Frisurvorstellung. No! No ! No!, weise ich seinen AdolfHitler-Frisurvorschlag entschieden zurück und erkläre noch einmal meine Vorstellungen zu seinem Job.
Zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits getriggert: Er ist zwar viel dicker und stattlicher als Herr Heimel, aber er strömt auch einen sehr unangenehmen Geruch aus (nicht nach Schnaps – wie bei Herrn Heimel – sondern nach einer Mischung aus Knoblauch und Körperschweiß und außerdem zittern – genau wie bei Herrn Heimel – seine Hände beim Handwerken.
Herr Heimel kam jeden dritten Samstag Nachmittag zu uns in den Kronenweg 16. Der Läufer im Flur wurde dann zusammengerollt und ein Stuhl aus der Essecke mittig unter die Lampe gestellt, damit Herr Heimel genug Licht hatte. Und dann gings im 10 Minuten Takt den 4 männlichen Familienmitgliedern an die Kopfhaare (oft kam auch noch Onkel Kurt dazu).
Herr Heimel war ein Arbeitskollege unseres Vaters bei DILÜ (Dietrich Lüttgens – Kunststoff Press- und Spritzwerk). Herr Heimel war kein gelernter Friseur, er hatte sich die Fertigkeiten des Haareschneidens selbst beigebracht – und zwar im Krieg – einer musste schließlich dafür sorgen, dass den Kameraden nicht die Haare in die Stirn fielen. Herr Heimel ließ nie mit sich handeln, gewissenhaft verpasste er allen Vieren denselben Haarschnitt. Er bekam Zweimarkfünfzig pro Schnitt – und die verdiente er sich auch! Der Spießrutenlauf am Montagmorgen begann für mich bereits immer lange vor Schulbeginn. Wenn ich vorne in den gelben Postbus einstieg und dem Fahrer meine Monatskarte unter die Nase hielt, grölte hinten schon die ganze hinterste Sitzreihe: Ho ,ho, ho, Wolfgang war beim Friseur!



Mit neuer Frisur treibe ich mich dann noch einmal am Busbahnhof und seiner Umgebung rum, weil ich in Erfahrung bringen will wie ich morgen in den Schwarzwald (selva negra) komme.

hier im Busterminal fahren die Busse an und ab zu Zielen weit außerhalb der Stadt
die zahlreichen Haltestellen um den Busbahnhof herum fahren die Stadtbusse und die Busse in die nähere Umgebung an

So ein ÜberLand-Chickenbus hat normalerweise drei Verantwortliche an Bord: den Fahrer natürlich – er ist der uneingeschränkte Chef im Bus und muss sich nicht die Hände schmutzig machen. Er telefoniert die meiste Zeit und/oder bedient das gewaltige Signalhorn, um auf sich aufmerksam zu machen oder um einen entgegenkommenden Kollegen zu grüßen. Oder er quatscht mit seinem Vorschootmann, der die meiste Zeit lässig bei ihm in der geöffneten Tür steht. Dieser Mann ist der Schaffner. Irgendwann nach der Abfahrt geht er durch den Bus und kassiert den Fahrpreis. Fahrscheine gibt es nicht. Er weiß auch nach 3 Stunden Fahrt noch, wer noch nicht bezahlt hat und wer wo aussteigen will. Es gibt Haltestellen unterwegs und in den größeren Dörfern und Städte Busbahnhöfe, man kann aber den Bus durch Handzeichen überall zum Mitfahren anhalten – natürlich auch zum Aussteigen. Der Schaffner hat außerdem die Aufgabe, bei der Anfahrt einer Haltestelle durch lauten Singsang das Ziel des Busses bekannt zu geben, bedürftigen Menschen beim Ein- und Aussteigen zu helfen und beim Passieren der üblichen Polizeikontrollstellen die – ansonsten immer geöffnete – Einstiegstür rechtzeitig zu schließen. Der dritte Mann im Bunde hält sich hinten im Chickenbus auf. Er verlädt das (manchmal einen Umzug anmutende) Gepäck entweder im Stauraum unter den Sitzen hinten oder auf dem Dach des Busses, hilft den Leuten beim Aussteigen von der hohen Rampe hinten und brüllt dem Fahrer Informationen über den Status im hinteren Teil des Busses zu.

3 Gedanken zu „Matagalpa – Ruhetag mit Kindheitserinnerungen“

  1. Das du den Namen noch weißt und den Zahlbetrag!!! Aber wenn ich so in meinen Gehirnwindungen krahme, meine ich, dass Jutta und ich auch von ihm die Haare geschnitten bekommen haben??!!
    Schöne farbenfrohe Bilder. Tolle Landschaft.
    Die Frisur steht dir…weißt doch…wahre Schönheit wird durch nichts entstellt. Nein aber om Ernst…alles okay. Lg Angelika

    Antworten
    • Ich musste jetzt so herzhaft Lachen. Der Bericht über unseren Friseur zu Hause ist so stark und du hast Erinnerungen geweckt. Der Name sagt mir was, aber als Friseur nicht.
      Deine Frisur ist aber gut geworden.

      Antworten
  2. hallo wolfgang, wie immer tolle aufnahmen und interessante kommentare !
    ich verfolge deine reise gerne und bin immer wieder überrascht, was du dir so alles alleine zutraust.
    schicke dir weihnachtsgrüße aus der heimat nach mittelamerika und bleib fit und gesund !
    gruß kk73

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu k.körner Antworten abbrechen