Ubon Rachathani – DejaVus

Heute bekomme ich das (ganz brauchbare) Fahrrad vom Hotel ausgeliehen, das man mir bereits gestern versprochen hatte. Der Sattel lässt sich in eine brauchbare Höhe liften, Antrieb und Bremsen funktionieren – lediglich der Schalthebel ist abgebrochen, so dass ich die ganze Zeit im kleinsten Gang fahre und trotz hoher Trittfrequenz kaum von der Stelle komme.
Ist aber alles kein Problem, weil ich heute eh etwas kürzer treten will. Nur zwei Aktionen sind geplant:
Zum einen besuche ich das Wat Tai, das ich 2018 durch Zufall entdeckt habe und aufgrund seiner besonderen Atmosphäre zu meinem LieblingsWat erkoren habe.
Hier der Clip, den ich bei meinem Besuch 2018 aufgenommen habe:

Die Atmosphäre heute ist eine ganz andere!
Es weht überhaupt kein Wind, so dass die feinen, stilisierten Lotusblütenblätter aus goldfarbenem Metall träge in der Luft hängen, anstatt wie vor fünf Jahren einen eifrigen Tanz im Wind aufzuführen und die Abertausend Glöckchen unter den Dächern der Gebäude, an denen sie hängen, zum Klingen bringen.
Vielleicht gar nicht schlimm, denn auf einem Nachbargrundstück sind Bauarbeiten mit schwerem Gerät im Gange. Gegen den Lärm der Maschinen hätten die Glöckchen eh keine Chance gehabt.
Bauarbeiten sind heute auch im Wat Tai im Gange – oder besser gesagt: Kunsthandwerk, das mich fassungslos macht! Naga, die aus der hinduistischen Mythologie in die buddhistische eingegangene Schlange(ngöttin), die als Beschützerin geistiger Schätze angesehen und verehrt wird, findet sich in (fast allen) buddhistischen Bauwerken prominent in den Eingangsbereichen wieder.
Ich habe mich bisher immer über deren Anblick gefreut, mir aber nie die Frage gestellt, wie solche Nagas mit ihren Zigtausend Schuppen und Verzierungen hergestellt werden.

In Handarbeit – erfahre ich heute bei meinem Besuch.
Eine dieser Wächterschlangen – vielleicht 15 Meter lang – im Innenhof musste erneuert werden.

Der glatte Körper der Schlange ist bereits so gut wie fertig. Der Mann im Bild verputzt und glättet noch einige Stellen am Kopf.

Eine Kollegin und zwei Kollegen sind derweil schon mit den Details des Schlangenkörpers beschäftigt. Die Frau entnimmt einem Eimer eine Handvoll Mörtel, formt in Windeseile – wie eine Zauberin – aus einem Klumpen eine Schlangenhautschuppe, platziert diese präzise und bringt mit einem Messer??? zwei Schlitze an – und schon geht’s weiter mit der nächsten Schuppe.
Ungefähr noch drei Monate werden sie an dieser Naga zu arbeiten haben, sagt sie in mein Übersetzungsgerät.

In Zukunft werde ich mir Nagas noch genauer und mit mehr Ehrfurcht ansehen. Ich hab bisher geglaubt, die SchlangenSchuppen würden maschinell hergestellt, bei OBI gekauft und mit Pattex aufgeklebt.
Hier noch ein paar Schnappschüsse vom Wat Tai


Zum anderen fahre ich zum Busbahnhof der weit außerhalb der Stadt liegt, um mir für morgen einen Sitzplatz im Bus nach Roi Et zu kaufen.
Die Fahrt mit dem Fahrrad fünf Kilometer auf der dichtbefahrenen Ausfallstraße ist schon stressig genug. Dann das zweite DejaVu: In meinem Reisetagebuch hatte ich vor 5 Jahren für die gleiche Radtour zum Busterminal vermerkt, dass es stressig sei, eine vierspurige Straße zu überqueren. Als ich heute an genau der gleichen Stelle stehe wie damals und keine Chance sehe, auf die andere Seite der autobahnähnlichen Straße zu kommen, fällt es mir wie Schuppen von den Augen:
die Straße hat vier Spuren in beide Richtungen, ist also achtspurig und in der Mitte hat sie eine ca. einen Meter hohe Trennmauer.
Zwei junge Frauen an einem Würstchenstand verstehen meine Ratlosigkeit, bedeuten mir, die Straße geradewegs zu überqueren. Eine von ihnen fragt mich, ob ich sie nach drüben begleiten will????? Verwirrt über solch plumpe und unangebrachte Anmache lehne ich dankend ab. Dann aber kommt eine ältere Frau zu mir, redet auf mich ein: Wir gehen jetzt zusammen bis zur Mitte, dann reiche ich dir dein Fahrrad über die Mauer, und dann bist du drüben.
Gesagt getan: vierspurige autobahnähnliche Straße, Geschwindigkeiten um die 90 km/h, kein Grünstreifen in der Mitte, sondern eine Mauer ohne großen Abstand zu den Fahrspuren auf beiden Seiten. Ich habe wohl keine Todesangst, bin aber so gestresst, dass ich der helfenden Frau noch nicht einmal einen Geldschein zustecke. Auch zu einem erklärenden Foto bin ich nicht in der Lage.

Am Busterminal werde ich sofort von zwei englisch sprechenden Mädchen, deren offizielle Aufgabe es ist, sich um Touristen zu kümmern, in Obhut genommen und halte mit deren Unterstützung im Nullkommanix mein Ticket für morgen in der Hand.

Für den Rückweg bleibt mir nichts anderes übrig als die ersten 700 Meter über die Autobahn zu fahren, und zwar ganz rechts (bei Linksverkehr), weil ich rechts von der Schnellstraße abbiegen muss.

Der ist dann heute redlich verdient und der fällige Gang zur Wäscherei ein Kinderspiel

Morgen geht’s nach Roi Et

Schreibe einen Kommentar