Ein gebrauchter Tag

Als ich gestern nach knapp vierstündiger Fahrt von Nilambur nach Thrissur aus dem Bus der KSRTC (Kerala State Road Transport Corporation) steige, fühle ich mich wie gerädert und gleichzeitig deprimiert. Der Busfahrer ist die gesamte Strecke wie auf Drogen gefahren. Ständig Vollgas oder Vollbremsung, die Hupe im Dauereinsatz mit permanent rücksichtslosen und riskanten Überholmanövern. Die schlimmste Phase als wir von den Bergen runter fahren nach Thrissur: ein anderer, sehr viel moderner und stärkerer Bus einer privaten Busgesellschaft will uns überholen. Das kann unser Busfahrer gar nicht ertragen. Auf einer kilometerlangen Strecke liefern die beiden Fahrer sich ein regelrechtes Duell und riskieren dafür Leben und Gesundheit ihrer Fahrgäste und anderer Verkehrsteilnehmer. Zum Glück muss der Reisebus an einer großen Kreuzung von unserer Fahrtroute abbiegen.
Ich versuche zwar beim Schaffner und Mitreisenden in meiner Umgebung die Fahrweise zu thematisieren, ernte aber nur Unverständnis für meine Aussagen und Schulterzucken.
Ich hadere sehr mit mir, weil ich nicht konsequent bin: ich hätte frühzeitig aussteigen müssen oder zumindest ihn, den Fahrer, auffordern müssen, vernünftig zu fahren – mit der Drohung, ihn bei seiner Gesellschaft anzuzeigen.
Dazu habe ich den Mut nicht gehabt, sondern still gehalten und gehofft, dass nichts Schlimmes passiert.
Am Busbahnhof von Trissur geht der Ärger weiter, weil ich nicht den zentralen sondern den nächstgelegenen Ausgang wähle, um mir am Straßenrand eine Auto Rikshaw zu nehmen. Es ist Mittagszeit, also glühend heiß, nirgendwo Schatten. Mindestens fünf TukTukFahrer stellen sich doof, starren ewig lange auf mein Handy, zoomen rein und wieder raus in Google Maps – es täte ihnen leid, sie kennten die Adresse nicht – ein Schulterzucken und weg sind sie bzw. ich stehe wie blöd da. Verzweifelt buche ich ein Gefährt über die Rapido App (ich hasse diese Dienste, weil sie die Fahrer bis aufs Blut ausbeuten), ich werde von einem Pickup Point zum nächsten gelotst, schließlich die Absagen – man stünde im Stau und könne nicht kommen.
Irgendwann wird mir klar, was gespielt wird: die Fahrt ist den Leuten einfach zu kurz (1.8 km). Als ich dem nächsten Fahrer sage, dass er 100 Rupien (knapp 1 € – das Dreifache des eigentlich Fahrpreises) von mir bekommt, bin ich in wenigen Minuten an meinem Homestay.
Wenn ich entspannt wäre, würde ich über den Rest lachen, aber ich bin inzwischen hochaggressiv und gleichzeitig kaputt als ich vor meinem Homestay stehe. Der Vermieter, ein Unternehmer, der in Abu Dhabi lebt und arbeitet, hat mich via WhatsApp mit tausend verschiedenen pdfs zugeballert, in denen er Regeln zum Zugang der Wohnung, zur Nutzung der Einrichtungen, der Möglichkeiten vor Ort, und, und, und, auschweifend und redundant beschreibt.
Mr. Babu, der Care Taker, der sich nach langem Rufen blicken lässt, spricht kein Wort Englisch, zeigt mir aber wenigstens die Tür zu meiner Wohnung, zum Thema Zahlencode des elektronischen Türschlosses deutet er nur auf mein Handy – fordert aber nachdrücklich die Kohle fürs Übernachten. Zum Glück merkt er irgendwann, dass ich gleich platze und verpieselt sich.
12945 ist der Code sagt mir eins der unzähligen pdfs – endlich kann ich mich ein wenig entspannen.
Die Geschichte mit der Laundry erspare ich mir jetzt, auch dass der Bummel durch die Stadt am späten Nachmittag wegen des total dichten Verkehrs ein Horror ist.
Ich schlafe gut, gönne mir heute ein Ganzkörperayurvedamassage (die leider nicht besonders gut ausfällt), hole gleich meine Wäsche ab und beglückwünsche die beiden Geburtagskinder heute (Ralf, mein Bruder und Klaus, mein ehemaliger Lieblingskollege)
Über Weihnachten fahre ich morgen ans Meer.

ein ganz junger indischer Kormoran

Nagelbeeren – auch Mickey Mouse Pflanze genannt

Über Weihnachten fahre ich ans Meer

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